Im Gespräch mit Prof. Dr. Udo Steinbach حوار الديوان مع البروفسور د. أودو شتاينباخ

Show notes

In unserer allersten Folge des von nun an regelmäßig erscheinenden Divan-Vodcasts „Im Gespräch“ haben wir Prof. Dr. Udo Steinbach zu Gast, mit dem wir auf sein Lebenswerk zurückblicken. Sicherlich kann er als einer der Wegbereiter der modernen, deutschen „Orientwissenschaft“ bezeichnet werden – und ja, wir diskutieren auch diesen umstrittenen Begriff.

In dem Gespräch, das bereits am 29. August 2024 aufgezeichnet wurde, skizziert Steinbach die vergangenen Jahrzehnte deutscher Nahostpolitik, ihre Ausrichtung und vor allem ihren Richtungswechsel spätestens seit 9/11. Wer waren und sind die entscheidenden Akteure? Welchen Einfluss hat die Wissenschaft auf die Politik und was müsste sich ändern, damit der von ihm geförderte Dialog der Kulturen wieder an Fahrt gewinnt?

Basierend auf seinem langjährigen Wirken in Gremien und Organisationen sowie dem engen Austausch mit Politik und Wissenschaft offenbart Steinbach wertvolle Einblicke in die komplexen Beziehungen zwischen Deutschland und der arabischen Welt.

في حلقتنا الأولى من برنامج "حوار الديوان"، في سلسلة البودكاست المرئي التي ستصدر بشكل دوري عن الديوان – البيت الثقافي العربي، نستضيف البروفسور د. أودو شتاينباخ، الذي نستعرض معه مشروع حياته الذي كرّس له جلّ وقته وجهده وأبحاثه، خاصة أن أحد روّاد ”الدراسات الشرقية“ الألمانية الحديثة – وبالتأكيد سنناقش مع أيضاً هذا المصطلح المثير للجدل.

في هذه المقابلة التي تم تسجيلها في 29 أغسطس 2024، يستعرض شتاينباخ العقود الماضية من السياسة الألمانية في الشرق الأوسط، وتوجهاتها، وقبل كل شيء تغير اتجاهها منذ أحداث الحادي عشر من سبتمبر على أبعد تقدير. وسنحاول معه الكشف عن هوية الشخصيات التي لعبت دوراً محورياً في الماضي وفي الوقت الحالي، والبحث في مدى تأثير العلم على السياسة وما الذي يجب أن يتغير حتى يكتسب مشروع "حوار الثقافات" الذي عمل عليه ولا يزال زخماً جديداً مرة أخرى؟

Show transcript

00:00:11: Wir begrüßen

00:00:11: euch sehr herzlich bei dem neuen Divan Vodcast-Format.

00:00:15: Das ist das neue Podcastformat als Video

00:00:18: ausgestrahlt vom Divan, dem Arabischen Kulturhaus.

00:00:21: Und wir verfolgen damit das Ziel oder die Idee,

00:00:25: den deutsch-arabischen Kulturaustausch weiter zu fördern, weiter anzutreiben,

00:00:29: spannende Gäste einzuladen,

00:00:31: mit ihnen ins Gespräch zu kommen über die verschiedenen Themen,

00:00:35: die deutsche und arabische Kultur verbinden.

00:00:39: Wir zeigen Gemeinsamkeiten auf, vielleicht auch Unterschiede und möchten

00:00:42: vor allem Perspektiven und den weiteren Dialog anregen.

00:00:46: Zusammen mache ich das mit meinem Kollegen Ewald König, Journalist,

00:00:51: und wir machen das mit Darius Hofmann.

00:00:53: Er ist Islamwissenschaftler und Mitarbeiter

00:00:57: im Divan, dem Arabischen Kulturhaus.

00:01:00: Richtig.

00:01:01: Ja, und wir haben heute einen Gast, mit dem man stundenlang reden müsste.

00:01:07: Und das werden wir vielleicht auch tun.

00:01:09: Professor Udo Steinbach.

00:01:11: Er ist der Orientologe schlechthin, Islamwissenschaftler

00:01:16: und das über Jahrzehnte hinweg.

00:01:19: Seien Sie herzlich willkommen, Herr Professor.

00:01:21: Dankeschön. Sie sind 81 Jahre alt.

00:01:24: Sie befassen sich seit vielen Jahrzehnten mit arabischen Themen, mit dem Orient,

00:01:30: mit den Beziehungen von Deutschland und Europa auf der einen Seite

00:01:35: und den arabischen islamischen Ländern auf der anderen Seite.

00:01:39: Wir wollen über Ihr Lebenswerk sprechen.

00:01:42: Ich beginne damit, dass Sie eingeschult

00:01:46: wurden, in der Nähe von Bautzen, als die DDR gegründet wurde.

00:01:50: Das war 1949, da wurden Sie eingeschult.

00:01:53: Was war nach der Schule?

00:01:55: Wie sind Sie auf dieses Thema gekommen?

00:01:59: Auf das Thema?

00:02:00: Ja, ich zögere schon.

00:02:02: Hier Islamkunde, Islamwissenschaft

00:02:05: oder Orientkunde, Orientalistik.

00:02:09: In den wenigen Worten, die Sie hier gebraucht haben,

00:02:11: haben Sie schon eine gewisse Verwirrung angestiftet.

00:02:14: Der eine sagt Islamkunde, der andere sagt Orientkunde.

00:02:16: Ich sage, ich habe damals Orientalistik studiert.

00:02:19: Schon das ist ja signifikant dafür,

00:02:22: dass sich in dem Selbstverständnis des Faches irgendwas verändert hat.

00:02:26: Und ich glaube darüber werden wir noch zu sprechen

00:02:28: haben, wie aus der Orientalistik der Islamwissenschaftler der Islamkundler

00:02:33: wurde.

00:02:33: Jemand, der den ganzen Orient kennen sollte,

00:02:36: verengt auf die religiöse Dimension.

00:02:39: Aber das kriegen wir vielleicht später.

00:02:41: Jetzt noch mal erst zu Ihrer Frage Wie bin ich darauf gekommen?

00:02:44: Ich habe einen sehr harten Militärdienst gehabt als Fallschirmjäger,

00:02:48: und wenn man das zwei Jahre lang gemacht hat, dann ist man wie ein Schwamm.

00:02:52: Man geht an die Universität und möchte alles aufnehmen,

00:02:55: was da überhaupt zu holen ist.

00:02:57: Und das habe ich auch anderthalb Semester getan, bis ich gemerkt habe,

00:03:02: das gefällt mir alles nicht alles Massenfächer, Germanistik, Geschichte,

00:03:05: selbst die klassische Philologie waren damals Massenfächer.

00:03:08: Und dann habe ich mir vier

00:03:10: Kriterien gesucht, nach denen ich mein Studium orientieren werde.

00:03:14: Das eine war möglichst wenig Studenten.

00:03:16: Das zweite war, ein Fach zu studieren, wo man möglichst viel noch Primärliteratur

00:03:21: lesen muss, nicht Berge und Wände von Sekundärliteratur.

00:03:25: Das dritte war ein Fach zu studieren, wo man direkt auf eine Promotion

00:03:29: zuarbeiten konnte.

00:03:30: Und das vierte Kriterium war Reisen.

00:03:32: Und mit diesen vier Kriterien bin ich durch die Freiburger Uni gegangen

00:03:36: und bin bei den Vorderorientalen hängengeblieben.

00:03:38: War das zu Ihrer eigenen Überraschung?

00:03:40: Das war zu meiner eigenen Überraschung, weil ich

00:03:42: eigentlich keine wirkliche Orientierung hatte.

00:03:44: Hat nur meine vier Kriterien und aber keine Präferenz für irgendein Fach.

00:03:48: Ich hätte also auch bei den

00:03:49: Linguisten hängenbleiben können oder bei den Sinologen oder so,

00:03:52: da bin ich aus bestimmten Gründen beim Vorderen Orient hängengeblieben

00:03:55: - mit Blick auf die vier Kriterien mit vollem Erfolg.

00:03:59: Wir waren in Freiburg zehn Studenten und in Basel zwei Studenten.

00:04:04: Erstes Kriterium Zweites Kriterium war Ich habe im dritten Fachsemester, wo ich

00:04:08: also noch gar nicht mal richtig Arabisch konnte, meine Doktorarbeit bekommen.

00:04:12: Da sagte der mein Doktorvater.

00:04:14: Römer sagte Steinbach, da ist so eine seltsame Kategorie von Literatur.

00:04:18: Schauen Sie doch mal nach in Alberts Lexikon

00:04:21: und habe dann nachgeschaut und bei den Volksromanen hängengeblieben.

00:04:24: Ein Volksroman, “Dhat Al-Himma”, 1000 Seiten arabischer Text,

00:04:28: 1906 gedruckt, also wie Tausendundeine Nacht so etwas.

00:04:32: Also ich hatte wirklich freie Wahl daraus zu machen, was ich wollte.

00:04:36: Ich habe Primärliteratur gelesen, wenig Sekundärliteratur.

00:04:39: Das dritte war, ich habe direkt auf eine Promotion

00:04:42: zugesteuert und war in acht Semestern fertig und gereist.

00:04:45: Viertes Kriterium habe ich auch erfüllt.

00:04:47: Also so ist das eigentlich zustande gekommen.

00:04:50: Und das Interessante war dann: Wie

00:04:54: gestalten Sie dann Ihr Leben?

00:04:56: Im Rigorosen war Arabisch,

00:04:59: klassisches Arabisch, juristisches Arabisch das Hauptfach.

00:05:03: Das erste Nebenfach war Persisch und Osmanisch,

00:05:06: also nicht einmal modernes Türkisch.

00:05:09: Und das zweite Nebenfach im Rigorosum war Altgriechisch, weil ich mit Altgriechisch

00:05:12: mal begonnen hatte.

00:05:14: Wie gestalten Sie so ein Leben?

00:05:16: Das wäre natürlich heute sozusagen ein Rezept für die lebenslange

00:05:20: Arbeitslosigkeit.

00:05:21: War es damals auch. Eigentlich.

00:05:24: Aber ich habe wie häufig in meinem Leben, wirklich Glück gehabt.

00:05:28: Denn im Jahre 1971, also just nachdem ich fertig geworden war

00:05:33: mit meiner “Dhat Al-Himma”, beschloss der Direktor der “Stiftung

00:05:38: Wissenschaft und Politik”,

00:05:39: dieses großen Think Tanks, der ja täglich heute in den Medien erscheint,

00:05:43: damals Klaus Ritter, der beschloss, ein Nahostreferat aufzubauen.

00:05:47: Das heißt, diese Stiftung, die heute ein riesiges Nahostreferat hat

00:05:51: und besteht aus

00:05:51: ich weiß nicht, wie vielen Kolleginnen und Kollegen, hatte das nicht.

00:05:55: Man hatte ein Afrika-Referat, man hat ein chinesisches Referat,

00:05:58: aber eben kein Nahostreferat.

00:05:59: Wissen Sie warum? Ja, natürlich.

00:06:02: Weil der Nahe Osten nicht Gegenstand unserer Politik war.

00:06:06: Unsere Politik war

00:06:08: ausgerichtet auf Israel, auf

00:06:09: die Gestaltung unserer Beziehungen zu Israel, auf die Wiedergutmachung.

00:06:13: Und wir haben ja das Dilemma dann erlebt 1965,

00:06:16: als die arabischen Staaten, die Arabische Liga, dann,

00:06:19: die Beziehungen abgebrochen hatte, weil wir eben Waffen an Israel geliefert haben.

00:06:25: Das war also so sensibel, dass man sich mit dieser Region

00:06:27: eigentlich nicht befaßte, weder politisch noch wissenschaftlich.

00:06:32: Also nun, im Jahre 1971, nachdem Willy Brandt 1970

00:06:37: als Außenminister gesagt hatte “Wir brauchen eine ausgewogene Nahostpolitik.”

00:06:41: Das war damals ein Riesen-Diktum: eine ausgewogene Nahostpolitik.

00:06:44: Eine Nahostpolitik, die sich nicht nur mit Israel

00:06:47: und unserer Wiedergutmachung, mit dem Nationalsozialismus usw.

00:06:50: befasst, sondern mit der Gegenwart, wo wir eben eine arabische Welt haben,

00:06:55: auf die wir Rücksicht nehmen müssen, auf die wir uns einstellen müssen.

00:06:59: Nun ja, aber es war niemand, der das machen konnte.

00:07:02: Herr Ritter telefonierte mit dem Sinologen in Münster, in München

00:07:06: und kam dann auch zu meinem Doktorvater.

00:07:08: Und der sagte: “Da habe ich jemanden, den Steinbach.

00:07:10: Der hat mit seinem Volksroman aus dem 13.

00:07:12: Jahrhundert promoviert.” Es war niemand da, der

00:07:16: ausgebildet gewesen wäre,

00:07:19: sich zu beschäftigen, sich zu interessieren

00:07:21: für den gegenwärtigen Nahen und Mittleren Osten.

00:07:23: Herr Steppert in Berlin

00:07:25: hatte damals gerade begonnen, aber war noch nicht fertig sozusagen.

00:07:29: Und so bin ich mit meinem klassischen Studium

00:07:31: mit einem Mal buchstäblich über Nacht in das

00:07:36: kalte Wasser der Politik gestoßen worden bei der “Stiftung

00:07:39: Wissenschaft und Politik”.

00:07:40: Und ich weiß noch mein erstes Thema waren die Golfstaaten,

00:07:44: die entstehenden Golfstaaten, die Landschaft des Persischen Golfs

00:07:48: oder des Arabischen Golfs,

00:07:50: das war damals sehr, sehr strittig, begann sich zu verändern.

00:07:53: Die Briten zogen sich zurück und Staatlichkeit entstand.

00:07:56: Und wie würde sich diese Staatlichkeit gestalten?

00:07:58: Das war sozusagen das erste Thema.

00:08:00: Das zweite Thema, das ich dann ab 1972 bearbeitete,

00:08:04: war die Außen- und Sicherheitspolitik der Türkei.

00:08:08: Da kam ein Herr aus dem Stiftungsrat, also

00:08:11: Gremium, Beratungsgremium der Stiftung

00:08:13: Wissenschaft und Politik, auf mich zu und sagte: “Herr Steinbach,

00:08:15: Sie wollen über die Außen- und Sicherheitspolitik der Türkei arbeiten?

00:08:19: Ich küsse den türkischen Generalstabschef auf die rechte Wange,

00:08:22: und ich küsse ihn auf die linke Wange.

00:08:24: Und dann ist kein Problem mit der Außen- und Sicherheitspolitik der Türkei.

00:08:27: Über so was wollen Sie arbeiten?” So ging das alles los.

00:08:30: Vielleicht noch ein oder zwei Bemerkungen, weil diese Anfänge sehr signifikant sind

00:08:35: und unsere Situation heute ja eine völlig andere geworden ist.

00:08:39: Der Herr Klaus Ritter, der damalige Direktor der Stiftung Wissenschaft

00:08:43: und Politik, war der Neffe eines der berühmtesten Orientalisten des 20.

00:08:47: Jahrhunderts: Helmut Ritter.

00:08:49: Darauf war er mächtig stolz.

00:08:51: Und er sagte mir damals: “Herr Steinbach, ich weiß, Sie verstehen von der Sache

00:08:54: noch nichts.

00:08:54: Vielleicht interessieren Sie sich gar nicht mal dafür.

00:08:57: Aber ich muss Ihnen sagen: Wer bei mir, bei der Stiftung

00:09:01: Wissenschaft und Politik sich mit dem Nahen Osten befasst, muss

00:09:04: von der Kulturwissenschaft herkommen, nicht von der Politikwissenschaft.”

00:09:08: Also insofern hatte ich da eine ganz gute Ausgangssituation.

00:09:10: Und die zweite Bemerkung, die ich vielleicht noch mache,

00:09:14: bevor ich dann etwas weiter blicke, sind die zeitlichen Umstände:

00:09:18: Willy Brandt habe ich schon erwähnt, die ausgewogene Nahostpolitik und ja,

00:09:25: aber ich hatte auch bereits gesagt, die Ausbildung der Orientalisten war

00:09:30: eine völlig andere, war eine historische, war eine rückwärtsgerichtete.

00:09:34: Nicht ganz zufällig wurde zehn Jahre

00:09:38: vorher, 1961, von meinem späteren Doktorvater in Beirut

00:09:43: das Orientinstitut der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft

00:09:46: gegründet, mit dem Ziel, damals wirklich weitblickend, junge

00:09:50: Leute nach Beirut zu holen, damit sie die Gegenwart und die Realität

00:09:54: des Nahen Ostens, der arabischen Welt

00:09:56: aus der Nähe kennenlernen und auch sprachlich sich qualifizieren können.

00:10:01: Also man sieht, wie der Zeitgeist so langsam in Richtung auf den Nahen Osten

00:10:05: zuging, auf die arabische Welt zuging,

00:10:07: wie die Wissenschaft begann, sich darauf einzustellen und

00:10:11: diese Interaktion zwischen Wissenschaft und der Aktualität der Wissenschaft

00:10:16: oder der Beziehung der Wissenschaft zur Politik, zur Realität

00:10:20: Das hat mich immer interessiert, und das hat sich auch immer wieder gewandelt.

00:10:25: Ich könnte andere Beispiele nennen,

00:10:28: wo sich das sehr deutlich niedergeschlagen hat: Zum Beispiel am

00:10:38: 20. Januar 1990.

00:10:42: Ich war damals Direktor des Deutschen Orient Instituts.

00:10:44: Darauf können wir vielleicht noch kommen, auf diese Einrichtung.

00:10:47: Ja, ganz sicher.

00:10:48: Aber wir hatten eben keine Möglichkeit,

00:10:52: uns irgendwie zu befassen mit Themen, die die Sowjetunion berührten,

00:10:56: die Zentralasien berührten, den Islam berührten.

00:10:59: Am 20.

00:11:00: Januar 1990 gingen die Sowjets noch einmal

00:11:04: nach Baku hinein mit Truppen, um dort einen Volksaufstand zu unterdrücken.

00:11:09: Und als ich das morgens in den Nachrichten hörte und ins Institut zurückkam,

00:11:14: habe ich das Hamburger Arbeitsamt angerufen

00:11:17: und habe gesagt: “Diese Meldung bedeutet den Anfang

00:11:20: vom Ende der nicht mehr lange existierenden Sowjetunion.”

00:11:23: Und von heute an wollen wir in die Sowjetunion, in Teile

00:11:27: der Sowjetunion, nämlich in die islamischen Teile,

00:11:30: hineinschauen, in einer anderen Perspektive.

00:11:34: Bis dahin war die Perspektive die Perspektive vom Westen aus,

00:11:37: vom Bundesinstitut

00:11:38: für Internationale Studien von Köln aus im Rahmen von Kremlforschung und so etwas.

00:11:43: Ich sagte dem Arbeitsamt: “Wir müssen von heute an von Süden aus hineinschauen,

00:11:47: mit den Augen des Historikers, des Islamwissenschaftlers,

00:11:51: des Turkologen, des Iranisten.

00:11:52: Und wen habt ihr?

00:11:54: Arbeitslose Akademiker, Marsch!

00:11:57: Sie müssen Türkisch können, möglichst promoviert sein.

00:11:59: Russisch können natürlich.” Und da schickte mir damals das Arbeitsamt

00:12:03: fünf Akademiker, im Januar 1990 ...

00:12:08: Die alle arbeitslos waren.

00:12:09: Die alle arbeitslos waren, ganz unterschiedliche Qualitäten

00:12:11: hatten, mal viel gereist waren, Russisch konnten, andere konnten besser Türkisch.

00:12:15: Aber mit den fünf Leuten habe ich dann die

00:12:20: Kaukasus- und Zentralasien-Forschung am Institut aufgebaut.

00:12:24: Das war damals möglich.

00:12:26: Die Aktualität zwang mich dazu.

00:12:28: Aber die Interaktion

00:12:29: zwischen einer

00:12:29: wissenschaftlichen Entscheidung oder wissenschaftspolitischen Entscheidung

00:12:33: und der Politik, das war wirklich faszinierend.

00:12:35: Und wenn ich heute nach Baku komme, gehe ich auf die Höhe ein bisschen hinauf.

00:12:39: Da ist die Straße der Helden, die Straße der Glaubenszeugen

00:12:43: und ein Grabstein neben anderen: 20.

00:12:46: Januar 1990.

00:12:48: Sie sind ja auch Mitglied in der deutsch-aserbaidschanischen Gesellschaft.

00:12:51: Baku ist ja auch die Hauptstadt von Aserbaidschan.

00:12:54: Bevor ich das Wort weitergebe an Darius Hofmann, komme ich noch mal

00:12:57: auf die 70er Jahre zurück: Sie erwähnten Willy Brandt.

00:13:01: Damals war er für Deutschland natürlich der Wegbereiter

00:13:05: für eine neue Politik im Nahen Osten, aber nicht ganz alleine.

00:13:10: Ich erinnere mich, ich bin ja Österreicher,

00:13:12: an den österreichischen Bundeskanzler Bruno

00:13:14: Kreisky, der damals auch sehr engagiert war.

00:13:17: Als ganz junger Journalist

00:13:20: war ich dabei als Bruno Kreisky -

00:13:23: das war damals eine Sensation - den PLO-Führer

00:13:26: Yasser Arafat in Wien empfangen hatte und Muammar Gaddafi von Libyen.

00:13:32: Also er hat sie ein bisschen salonfähig gemacht.

00:13:35: Also es gab damals diesen Zeitgeist in der europäischen Sozialdemokratie.

00:13:41: Auch andere waren dabei, Spanien und Schweden.

00:13:45: Konnten Sie das nachvollziehen oder

00:13:48: konnten Sie sogar beratend einwirken auf diese Politik?

00:13:54: In gewisser Weise ja.

00:13:55: In diesem ersten Jahrzehnt würde ich sagen,

00:13:59: zwischen 1971 und 1981.

00:14:03: Warum, will ich gleich beschreiben.

00:14:07: Stichwort Bruno Kreisky.

00:14:09: In der Tat, der hat mir sehr imponiert.

00:14:11: Der war natürlich immer ein Großer, ein Übervater sozusagen.

00:14:15: Und ich bin ihm einmal an einer signifikanten Stelle

00:14:19: begegnet in Genf persönlich.

00:14:22: Und zwar ging es darum, im Jahre 1983 hatte der ehemalige

00:14:30: amerikanische Staatspräsident Jimmy Carter eingeladen, nach Atlanta.

00:14:36: Um mal festzustellen, “was haben wir falsch gemacht

00:14:40: in meiner Amtszeit?

00:14:42: Was haben wir richtig gemacht?”

00:14:43: Und da hatte er seine gesamte Administration eingeladen.

00:14:46: Und diese gesamte Administration kam zu der Überzeugung,

00:14:49: dass die Europäer und die Sowjets im Nahen Osten nichts zu suchen hätten.

00:14:55: Daraufhin habe ich versucht, mit dem Direktor des Instituts

00:14:58: für Nahoststudien in Moskau

00:15:02: in Kontakt zu treten,

00:15:03: um eine gemeinsame Veranstaltung zu organisieren,

00:15:06: um die beiden Underdogs sozusagen, die Europäer und die Sowjets,

00:15:10: zusammenzubringen und den Amerikanern mal zu zeigen,

00:15:12: dass wir doch etwas zu suchen haben im Nahen Osten.

00:15:16: Das ist mir nicht gelungen.

00:15:18: Ich bin immer hinter diesem Herrn hergelaufen.

00:15:20: Am Ende haben wir beide uns in Genf getroffen.

00:15:24: Da hat Bruno Kreisky eingeladen.

00:15:27: Der Direktor dieses Instituts kehrte mir den Rücken und sagte kein Wort zu mir.

00:15:32: Er wollte also offensichtlich nicht.

00:15:34: Da habe ich Bruno Kreisky gefragt: “Sagen wir, Herr Kreisky, wie kommt das?”

00:15:37: Das sagte er: “Wahrscheinlich, weil Sie als Deutscher an ihn herangetreten sind.

00:15:40: Wenn Sie als Engländer oder Franzose an ihn herangetreten wären,

00:15:44: dann wäre das anders ausgegangen.” Meine Begegnung mit Bruno Kreisky,

00:15:48: einem sehr weisen Mann.

00:15:50: Und damit sind wir natürlich beim Thema, das uns vermutlich

00:15:54: im Laufe etwa dieser Sendung, vielleicht auch sonst noch berühren wird:

00:15:57: Dass die Nahostpolitik in hohem Maße

00:16:02: ein Gegenstand

00:16:03: von, sagen wir mal, kreativen Politikern gewesen ist.

00:16:07: Und das ist wirklich meine Erfahrung gewesen.

00:16:10: Immer wieder,

00:16:11: wenn die Wissenschaft irgendeine Bedeutung haben sollte oder haben würde

00:16:16: und mein Institut, das ich von 1976 an geleitet habe,

00:16:21: das Deutsche Orient-Institut in Hamburg,

00:16:23: wurde ja auch vom Auswärtigen Amt finanziert.

00:16:26: Also wenn irgendeine Bedeutung damit verbunden wäre,

00:16:30: dann wäre das über wirklich einflussreiche und aktive und interessierte Politiker.

00:16:36: Damit impliziere ich natürlich jetzt schon, dass ich da mit Blick

00:16:40: auf die Gegenwart gewisse Zweifel habe, ob wir da richtig gut vorankommen werden.

00:16:47: Jedenfalls scheint man da doch ziemlich beratungsresistent zu sein .

00:16:50: Wenn ich das

00:16:50: jetzt noch mal zusammenfassen darf: Also kann man vielleicht sagen, dass Sie

00:16:54: Anfang der 60er-Jahre praktisch so ein Vakuum gefüllt haben in der deutschen

00:17:00: islamwissenschaftlichen Landschaft, auch in der politischen Landschaft,

00:17:04: die sich mit diesen Themen “Islam”, “Naher Osten” auseinandersetzt und

00:17:10: die Frage wäre

00:17:11: jetzt noch ein bisschen: Wie hat es sich die Jahrzehnte darauf entwickelt?

00:17:14: Sie haben Willy Brandt angesprochen, die ausgewogenere Außenpolitik.

00:17:19: Wenn wir jetzt weiter schauen,

00:17:20: und Sie hatten auch schon die 90er-Jahre angesprochen:

00:17:22: Was hat sich wirklich über die Jahrzehnte verändert,

00:17:25: vielleicht zum Besseren, zum Schlechten in Bezug auf dieses Thema?

00:17:29: Also zunächst einmal haben Sie recht, das ich damals vor allen Dingen,

00:17:33: sagen wir mal in den 70er Jahren, also in meinen Anfängen,

00:17:36: aber auch noch in den 80er Jahren ein Vakuum gefüllt habe.

00:17:41: Es war eben niemand da,

00:17:42: der sich hätte äußern können oder die sich hätte äußern können.

00:17:47: Ich habe es von der Stiftung Wissenschaft und Politik

00:17:49: aus getan, später vom Orient-Institut aus,

00:17:53: also zwei Jahrzehnte, hatte man fast ein Monopol, das muss ich so sagen.

00:17:57: Als Pionier! Als Pionier.

00:18:00: Ja, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Einmal, was die Wissenschaft betrifft

00:18:04: und die Themen betrifft,

00:18:05: ich habe das angedeutet,

00:18:06: dass das ganz andere Themen waren als das, was man seit dem Ende des Zweiten

00:18:09: Weltkrieges in der Orientalistik oder Orientwissenschaft behandelt hat.

00:18:13: Ganz andere Themen!

00:18:14: Und das andere natürlich: Mehr und mehr

00:18:17: kamen die Medien auf einen zu.

00:18:20: Ich erinnere mich noch, dass die Medien kamen und fragten:

00:18:24: “Sagen Sie mal dies und dies und nehmen Sie dazu Stellung.”

00:18:27: Und vor allen Dingen eben seit der Islamischen Revolution oder

00:18:31: sagen wir besser iranischen Revolution in den Jahren 1977 bis 1979.

00:18:37: Da wollten die Leute

00:18:40: etwas wissen in den Medien.

00:18:41: Die klassischen Orientalisten wussten kaum, was ein

00:18:45: Ajatollah ist und welche politische Rolle er spielt.

00:18:48: Wir hatten das damals mittlerweile drauf.

00:18:50: Und dann fragten die Medien und ich erinnere mich noch,

00:18:53: dass man mit dem vollen

00:18:54: Elan des Wissenschaftlers da heranging und große Vorträge hielt.

00:18:58: Und damals hatte man noch mehr Zeit: Nicht nur anderthalb oder

00:19:01: zwei Minuten, damals hatte man auch mal fünf oder zehn Minuten.

00:19:05: Aber ich war nach 20 Minuten immer noch nicht fertig,

00:19:09: also musste man sich das auch erst aneignen.

00:19:12: Also dieser Kontakt war damals sehr selektiv, war sehr stark

00:19:15: ausgerichtet auf die wenigen, die sich äußern konnten.

00:19:20: Das ist heute definitiv anders.

00:19:23: Wir haben an den Universitäten

00:19:25: viele Lehrstühle, politikwissenschaftliche Lehrstühle,

00:19:29: islamwissenschaftliche, ich würde noch immer sagen

00:19:31: “orientalistische” Lehrstühle,

00:19:33: die sich mit der Gegenwart oder den neueren Entwicklungen im 19.

00:19:36: und 20. Jahrhundert, aber eben auch mit der Gegenwart befassen.

00:19:39: Und diese Kolleginnen und Kollegen sind überhaupt nicht mehr scheu,

00:19:43: sich bei den Medien anzumelden, vorzutragen.

00:19:46: Und sie machen das auch sehr professionell mittlerweile.

00:19:50: Also das hat sich definitiv verändert.

00:19:52: Der Orient ist sehr viel stärker in die Öffentlichkeit hineingetragen worden.

00:19:57: Auch die Gegenwart ist in die Öffentlichkeit hineingetragen worden

00:20:00: durch die Journalisten, aber eben auch durch Wissenschaftler.

00:20:02: Das war damals gänzlich anders: Man lebte irgendwo doch in einer Glocke

00:20:07: von Orientwissenschaften, von Sprachwissenschaften usw.

00:20:10: und nur sehr langsam haben wir uns daraus befreien können.

00:20:13: Das zweite ist, ich deutete das eingangs

00:20:16: schon an: Was machen wir eigentlich?

00:20:19: Islamwissenschaft?

00:20:20: Ich habe nie in meinem Leben Islamwissenschaft studiert.

00:20:23: Der Islam war ein Teil natürlich.

00:20:26: Man las ein bisschen Koran und dies und das,

00:20:27: aber wesentlich machte man in Freiburg und in Basel

00:20:32: Dichtung, man machte Geschichte, machte man ...

00:20:34: Ich weiß nicht was, aber nicht Islamwissenschaft.

00:20:37: Da sehen Sie, wie das Fach sich verändert hat auch im Hinblick auf die Bezeichnung,

00:20:41: die Selbstbezeichnung des Faches mit Blick auf die Politik.

00:20:46: In wachsendem Maße ist der Islam sozusagen als ein Bestimmungsfaktor

00:20:50: der Nahostpolitik in Erscheinung getreten, fast bis zu dem Punkt, dass man

00:20:54: heute nur noch über den Islam spricht, wenn man etwa über Gewalt spricht oder so.

00:20:58: Dass die Gewalt sehr viel komplexer ist, begreifen die meisten gar nicht.

00:21:01: Sie leiten das ab, auch in der Politik leider, aus den Islam.

00:21:05: Und so ist aus dem Orientalisten, der die ganze Region betrachtet,

00:21:09: die ganze Geschichte betrachtet, vor dem Hintergrund der Geschichte

00:21:12: die Gegenwart versteht, ein Islamwissenschaftler geworden.

00:21:16: Jeder, der sich einigermaßen äußern kann, ist ein Islamwissenschaftler.

00:21:20: Das hat sich definitiv auch geändert.

00:21:22: Also wir leben heute wirklich in einem ganz anderen Klima, sowohl was

00:21:27: das Wissenschaftsverständnis betrifft, als auch was die Kommunikation mit der

00:21:32: Öffentlichkeit betrifft

00:21:33: und möglicherweise auch was die Kommunikation mit der Politik betrifft.

00:21:37: Aber da habe ich meine Skepsis, die habe ich vorhin schon einmal angedeutet.

00:21:41: Ich glaube, dass wir in früheren Jahrzehnten sehr viel näher

00:21:46: an der Politik dran waren und die Politik an uns,

00:21:49: an der Wissenschaft dran war, als das in der Gegenwart der Fall ist.

00:21:54: Und die Zäsur, die ich diesbezüglich nennen würde, war

00:21:58: 9/11, war der Terrorakt in New York am 11.

00:22:02: September 2001.

00:22:03: Aber das kann ich bei anderer Gelegenheit noch begründen.

00:22:07: Vielleicht nochmal ganz kurz zu den Begriffen “Orientwissenschaften”,

00:22:11: “Islamwissenschaften”: Sie haben völlig recht.

00:22:13: Also der Begriff “Islamwissenschaftler” ist auch ein bisschen irreführend,

00:22:16: weil es immer so eine Art

00:22:17: theologisches Studium impliziert, obwohl es eigentlich eine

00:22:20: Kulturwissenschaft ist über die Länder, die islamisch und arabisch geprägt sind.

00:22:25: Insofern stimmt das schon,

00:22:25: dass der Begriff “Islamwissenschaft” ein bisschen falsch ist.

00:22:28: “Orientwissenschaft”

00:22:29: ist ja deshalb so ein bisschen verrufen, weil es noch diesen kolonialistischen

00:22:33: Touch hat und man deshalb den Begriff hinterfragt hat.

00:22:39: Da haben Sie völlig recht. Aber ich nehme das für mich in Anspruch.

00:22:41: Ich habe niemals den Orient verstanden als eine zu kolonisierende,

00:22:45: geopolitische Einheit.

00:22:46: Ich habe es verstanden im Sinne von Dialog, von gleicher Augenhöhe.

00:22:50: Und das ist ja neben meiner wissenschaftlichen Tätigkeit

00:22:53: bis weit an die Gegenwart heran mein Ziel gewesen: die wissenschaftlichen

00:22:56: Ergebnisse im Dialog auf der Basis von gleicher Augenhöhe zu vermitteln.

00:23:03: Und das ist ja auch gelungen.

00:23:05: Wenn ich das nur mal stichwortartig rekapituliere:

00:23:08: in den 70er-Jahren der euro-arabische Dialog.

00:23:11: Mit einem Mal begannen wir mit den Arabern einen komplexen Dialog.

00:23:15: Und 1983 habe ich in Hamburg, damals als Direktor des Deutschen

00:23:19: Orient-Instituts - Genscher hat die Sache eröffnet,

00:23:22: sehr signifikant -

00:23:23: eine Veranstaltung gehabt, über eine ganze Woche, wo sich Gelehrte

00:23:28: aus dem europäischen Kontext und Gelehrte aus dem Kontext der Arabischen Liga

00:23:32: miteinander verständigt haben.

00:23:33: Das war das erste Mal, dass so was überhaupt passierte.

00:23:36: Dann kamen die Iraner mit einem mal - nach der Revolution.

00:23:41: Die kamen nach Bonn und wollten etwas wissen

00:23:44: über Menschenrechte.

00:23:45: Das könnten wir auch noch mal stärker ausführen, das will ich ja nur mal

00:23:48: andeuten.

00:23:49: Damals kamen natürlich die Israelis und die Amerikaner

00:23:53: und sagten: “Ihr korrespondiert, Ihr diskutiert mit Terroristen.”

00:23:58: Da war die Antwort von Herrn Genscher nur: “Where are the prooves?”

00:24:02: Und dann haben wir weitergemacht und im Verlauf des folgenden Jahrzehnts,

00:24:06: Ende der 80er Jahre dann mit Roman Herzog in ganz großer Aufmachung

00:24:11: im Schloss Bellevue.

00:24:12: Also auch da haben wir versucht, Ergebnisse der Wissenschaft,

00:24:16: nicht nur der Orientalistik, auch andere Wissenschaften,

00:24:19: in den Kontext des Dialogs der Kulturen zu stellen.

00:24:23: Also insofern waren wir damals wesentlich weiter in der Kommunikation zwischen

00:24:28: der Wissenschaft und der Öffentlichkeit, der Wissenschaft und der Politik.

00:24:32: Und ich habe das Gefühl, das ist heute total eingeschlafen.

00:24:35: Obwohl man ja heute viel bessere Möglichkeiten

00:24:38: hat, sich zu informieren, schneller und intensiver.

00:24:42: Daher ist das schon sehr verwunderlich.

00:24:44: Zum Streit über die Begrifflichkeit “Orient” vs.

00:24:47: “Islam”: Also ich

00:24:48: schlage vor, das wunderschöne alte Wort “Morgenland” zu verwenden.

00:24:52: Das hat keinen religiösen Touch, hat keinen kolonialpolitischen Touch ...

00:24:54: Ja, aber Herr König, da kommen wir

00:25:00: zu Hermann Hesse, zu Dichtern und zum 18.

00:25:04: und 19.

00:25:05: Jahrhundert. - Das war natürlich ein Scherz.

00:25:06: - Dann kommen wir wieder dahin,

00:25:07: wovon wir uns eigentlich befreit haben, aus dem “Morgenland”, irgendwie etwas

00:25:11: Exotisches zu wissen, darüber zu reden oder eben auch zu schreiben.

00:25:15: Davon haben wir uns befreit und sind jetzt in der Gegenwart des Vorderen Orients.

00:25:20: Nennen wir das so.

00:25:21: Denn das ist ja auch,

00:25:22: sagen wir mal, Teil des Studiums und Teil meiner Aktivitäten gewesen:

00:25:26: Es ist nicht nur der arabische Raum gewesen.

00:25:29: Ich habe intensiv über die Türkei gearbeitet,

00:25:31: die Türkei, die ja tiefgreifende Wandlungsprozesse durchgeführt hat.

00:25:35: Iran nach der Revolution: ein faszinierender Staat.

00:25:38: Eine Revolution, die man erst einmal als Revolution begreifen musste,

00:25:42: mit all dem Positiven und all dem Negativen, dass dabei herausgekommen ist.

00:25:46: Also wir arbeiten und haben gearbeitet und wollen auch weiterhin arbeiten

00:25:51: über einen großen Teil dieser Welt.

00:25:54: Nah- und Mittelost, Mittelmeer, Kaukasus, Zentralasien, aber jetzt natürlich

00:25:58: nach Lage der Dinge

00:25:59: und der politischen Entwicklungen mehr und mehr auch zum subsaharischen Afrika. Wir

00:26:06: machen einmal im Jahr zusammen mit dem “Zentrum

00:26:08: Moderner Orient” hier in Berlin eine Veranstaltung

00:26:11: in der Katholischen Akademie, auch in diesem Jahr wieder,

00:26:15: im November.

00:26:17: Da geht es immer um Afrika,

00:26:20: subsaharisches Afrika, Nahost und Indien, Zentralasien.

00:26:23: Das sind die Arbeitsgebiete des Zentrums Moderner Orient.

00:26:27: Also verstehen wir diesen Begriff “Orient”

00:26:31: geopolitisch doch in größerem Maße,

00:26:34: in einem weiteren Ausmaß als in der Vergangenheit,

00:26:37: weil die Interdependenzen auch größer geworden sind.

00:26:40: Jetzt erzählen Sie uns doch noch was

00:26:42: über das Deutsche Orient-Institut, das Sie gegründet haben und

00:26:46: erzählen Sie uns die Abgrenzung zu anderen Institutionen, die sich auch mit dem

00:26:51: Nahen und Mittleren Osten befasst haben, die es immer noch gibt.

00:26:55: Also Letzteres wäre die einfachere

00:26:58: Aufgabe: die Abgrenzung zu erklären.

00:27:01: Es gab ja praktisch keine konkurrierenden oder benachbarten

00:27:06: Einrichtungen zum Orient-Institut,

00:27:08: jedenfalls nicht in den ersten Jahrzehnten.

00:27:10: Das Deutsche Orient-Institut war eigentlich, auch dies ist wieder bezeichnend,

00:27:15: eine Gründung der Wirtschaft, der deutschen Außenwirtschaft.

00:27:19: Und auch die deutsche Außenwirtschaft, das Wirtschaftsministerium

00:27:21: finanzierte eine Zeitschrift namens “Orient”, damals

00:27:24: in den 60er-Jahren und in den frühen 70er-Jahren.

00:27:28: Und dann verlor die Wirtschaft das Interesse, und die Stadt Hamburg

00:27:33: übernahm dieses Orient-Institut zusammen mit einem Afrika-Institut,

00:27:37: einem Asien-Institut und einem Iberoamerika-Institut

00:27:41: als deutsches Überseeinstitut.

00:27:44: Und jetzt trat die Verwandlung ein, dergestalt,

00:27:48: dass man eben wegkam von den Wirtschaftsthemen

00:27:50: hin mehr zu sozialwissenschaftlichen Fragestellungen,

00:27:54: auch am Ende zu religiösen, religiös-politischen Fragestellungen.

00:27:58: Und das war dann eigentlich, nachdem ich 1976 Direktor wurde, sozusagen

00:28:03: meine Strategie: diese Wandlung zu vollziehen

00:28:06: und in eine seriöse sozialwissenschaftliche, orientalistische

00:28:10: Forschung überzugehen, die es bis dahin nicht gab.

00:28:14: Über die Universitäten haben wir schon gesprochen:

00:28:16: Da war außer in Berlin mit Herrn Steppat nicht viel zu holen.

00:28:20: Erst nach und nach entwickelte sich dieses Fach

00:28:24: und zwar mit externer Unterstützung

00:28:27: Und eben mit Unterstützung der Stiftung Volkswagenwerk.

00:28:30: Hier hat die Stiftung Volkswagenwerk ein Riesen-Verdienst,

00:28:37: auch wieder signifikant:

00:28:39: Mit dem Beginn der Orientforschung, mit dem Beginn einer Orientpolitik

00:28:43: oder Nahostpolitik der Deutschen,

00:28:45: mit dem Beginn einer Nahostpolitik der Europäischen Gemeinschaft

00:28:49: begann die Stiftung systematisch die gegenwartsbezogene

00:28:53: Orientwissenschaft zu fördern - in den 70er Jahren und in den 80er Jahren.

00:28:57: Und das war ein Riesen-Schritt, ein Riesen-Wind in die Segel derer,

00:29:02: die sich jetzt

00:29:03: mit den Aktualitäten befassen wollten - nicht nur in der Orientalistik,

00:29:06: auch in der Geographie, in vielen anderen Fächern, aber mit einem Mal trat

00:29:10: die Gegenwart des Nahen Ostens sehr intensiv

00:29:13: in den Blick der Wissenschaft, der Förderung der Wissenschaft,

00:29:17: aber eben auch der Öffentlichkeit und Politik.

00:29:21: Diese Koinzidenzen haben mich immer interessiert,

00:29:25: und die haben wir dann eben auch ausgelebt in großen Veranstaltungen,

00:29:29: die wir gemacht haben.

00:29:30: Aber dann kam eben 9/11, Sie haben es angesprochen,

00:29:33: und auch noch andere Entwicklungen, und auf einmal hat sich alles verändert.

00:29:37: Das ist jetzt der Elefant im Raum.

00:29:39: Was ist denn da passiert, das auf einmal das Interesse nachgelassen hat oder die

00:29:45: positive Herangehensweise, das Erkenntnisinteresse und stattdessen

00:29:49: so eine, ja, was ist das eigentlich, was wir jetzt heutzutage erleben?

00:29:52: Ist das eine feindselige Haltung?

00:29:54: Ist es ein Desinteresse?

00:29:55: Wie würden Sie die aktuelle Situation

00:29:57: im Vergleich zu der vorherigen Situation, die Sie ja eben beschrieben hatten,

00:30:02: darstellen?

00:30:02: Das ist eine abwehrende Haltung.

00:30:06: Wir waren dabei, sozusagen, einander zu integrieren.

00:30:10: Wir näherten uns an.

00:30:14: Noch einmal: Diese große Veranstaltung in Schloss

00:30:16: Bellevue, damals mit Roman Herzog im April 1999,

00:30:20: das war eine wunderbare, fast möchte man sagen physische Umarmung,

00:30:24: aber auch eine wissenschaftliche und politische zwischen Europa - Europa

00:30:29: als Ganzes verstanden - und der arabischen oder islamischen Welt in diesem Sinne.

00:30:34: Und diese Attitüde haben wir völlig verloren.

00:30:37: Aber das war auf der politischen Ebene?

00:30:39: Das war auf der politischen Ebene, aber auch auf der wissenschaftlichen

00:30:43: Ebene

00:30:44: und auch, das muss ich sagen, auf der publizistischen Ebene.

00:30:47: Das, was wir heute erleben an Feindseligkeit

00:30:49: und an Simplifikationen im publizistischen Raum,

00:30:53: das hätte man sich damals überhaupt nicht erlaubt.

00:30:55: So, das ist der große Unterschied.

00:30:57: Das macht 9/11 aus.

00:30:59: Dieses Geschehen war so brutal,

00:31:02: dass man radikal umgedacht hat.

00:31:06: Dann kam ja auch, sagen wir mal ...

00:31:08: ideologisch war der Weg ja geebnet.

00:31:12: Da war doch einer gewesen, der hatte vom “Clash of Civilizations” gesprochen:

00:31:15: Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts

00:31:17: würde jetzt der große Kulturkonflikt ausbrechen.

00:31:20: Irgendwie war die Öffentlichkeit, war der politische Raum darauf vorbereitet,

00:31:24: dass jetzt so etwas kommen würde.

00:31:26: Und es kam dann mit 9/11 und entsprechend haben wir uns verhalten:

00:31:29: Wir haben das Ganze wesentlich an die militärische Dimension

00:31:33: gekoppelt, denken wir an Afghanistan.

00:31:36: Und wir haben das gekoppelt an eine Simplifizierung des Begriffs

00:31:40: “Islam”, der Auffassung von Islam: Islam ist eben etwas, was mit Gewalt zu tun hat,

00:31:45: weil man diese Gewalt tagtäglich in den Medien nachlesen konnte.

00:31:49: Und auf diese Weise ist es eben entstanden, ist es geschehen,

00:31:53: dass aus unserem integrativen Blick ein Blick der Feindseligkeit

00:31:59: oder der Rückwendung, der Ablehnung entstanden ist.

00:32:02: Das ist das, was wir ja jeden Tag ...

00:32:04: Warum kam es zu 9/11?

00:32:07: Es kam zu 9/11, weil

00:32:11: hier tatsächlich

00:32:13: eine neue Ideologie entstanden war,

00:32:17: die wir so noch nicht verstanden haben.

00:32:20: Diese Ideologie war gewissermaßen darauf ausgerichtet,

00:32:26: die islamische Welt und den Westen zu trennen.

00:32:30: Das war sozusagen das neue.

00:32:33: Während man bisher auf Annäherung gemacht hatte, auf Dialog,

00:32:36: das habe ich gerade angedeutet, auf beiden Seiten, gab es auch in der islamischen

00:32:40: Welt zunehmend seit den 90er-Jahren eben eine Ideologie,

00:32:45: die wir als “Islamismus” bezeichnen oder wie auch immer, die auf Ablehnung aus war.

00:32:49: Und 9/11 war dann eben sozusagen der erste große Schlag

00:32:53: und man muss im Nachhinein sagen,

00:32:56: auch ein erfolgreicher Schlag in dem Sinne, dass tatsächlich

00:33:00: dann diese Ablehnung stattgefunden hat

00:33:03: und tatsächlich anstelle der Annäherung, der Zusammenarbeit, des Dialogs

00:33:08: auch auf islamischer Seite bestimmte Gruppen

00:33:13: den Kampf gegen den

00:33:14: Westen auf die Agenda geschrieben hatten.

00:33:17: Und da denke ich, liegt der große Fehler, dass man in der Politik,

00:33:21: in der Öffentlichkeit vor allen Dingen, das muss man leider auch immer wieder

00:33:24: sagen, in den Medien nicht verstanden hat, dass dies nur ein signifikant kleiner

00:33:29: Teil der islamischen Öffentlichkeit sei, der dieser Ideologie folgen würde

00:33:35: und dass dies ja auch eine Ideologie ist,

00:33:39: die ja nicht nur sich gegen den Westen richtet, die sich auch richtet

00:33:41: gegen die islamischen Gesellschaften, denen Verwestlichung vorgeworfen wird.

00:33:45: Anstatt also eine Partnerschaft einzugehen mit den Kräften in der islamischen Welt,

00:33:50: die selbst betroffen sind von Gewalt und Ablehnung,

00:33:54: hat man sozusagen den Islam weitestgehend gleichgesetzt

00:33:58: mit Gewalt

00:33:59: und hat alles in einen Topf geworfen mit dem Ergebnis,

00:34:01: was wir jetzt ja wieder sehen, dass diejenigen, die an Gewalt glauben

00:34:05: und Gewalt ausüben, dabei sind, Oberwasser zu bekommen, jedenfalls immer stärker

00:34:11: einen Rückenwind spüren aus Teilen der islamischen Öffentlichkeit in der ganzen

00:34:16: islamischen Welt. Also hier

00:34:20: hat man eine

00:34:20: fundamentale Weichenstellung vorgenommen, die uns dahin geführt hat,

00:34:24: von der Kooperation und vom Dialog zur Konfrontation zu kommen.

00:34:27: Ich finde das trotzdem

00:34:30: komisch, dass Ereignisse wie 9/11

00:34:32: zum Beispiel schon auch dazu geführt haben, dass das Interesse,

00:34:36: die Neugier an dieser fremden Religion, Kultur trotzdem auch gewachsen ist

00:34:41: und dass es auch dazu geführt hat, dass sich immer

00:34:42: mehr Menschen eingeschrieben haben in Studiengänge wie eben Islamwissenschaft

00:34:46: und dass das generelle Interesse an dieser Region,

00:34:50: was auch immer das jetzt genau bedeutet, schon zugenommen hatte,

00:34:53: leider dann trotzdem nicht dazu geführt hat, dass es mehr

00:34:57: Expertise gibt oder dass es zumindest diese Stimmen,

00:35:01: die wirklich fundiert, differenziert sind, häufiger zu hören sind.

00:35:04: Also wäre meine Frage jetzt noch mal: Welche Rolle spielen in diesem ganzen

00:35:08: Gefüge die Medien als Multiplikatoren dieses Wissens?

00:35:13: Die Medien.

00:35:15: Man kann wahrscheinlich nicht von “den Medien” sprechen.

00:35:18: - Klar. - Es gibt immer wieder Zeitungen, die auch sachgemäß berichten.

00:35:21: Das wollen wir nicht kleinreden.

00:35:24: Aber diejenigen, die, sagen wir mal,

00:35:27: die breiten Massen erreichen, die

00:35:31: sind den Weg der Konfrontation gegangen und den Weg der Simplifikation gegangen.

00:35:36: Und das spüren wir ja tagtäglich.

00:35:38: Natürlich haben Sie völlig recht, dass mit einem Mal

00:35:42: ein großes Interesse an der sogenannten Islamwissenschaft da war.

00:35:46: Islamwissenschaftler wurden in die Botschaften geschickt,

00:35:49: wurden überall gebraucht und gesucht, in Geheimdiensten, im Bundeskriminalamt,

00:35:53: in den Landeskriminalämter, im Bundesnachrichtendienst usw.

00:35:56: Der Markt war leergefegt.

00:35:59: Da haben Sie völlig recht.

00:36:00: Und die Frage ist in der Tat berechtigt,

00:36:03: warum wir

00:36:05: gleichwohl den anderen Weg gegangen sind in der Öffentlichkeit und in der Politik,

00:36:09: nicht den Weg der Verständigung,

00:36:11: den die Islamwissenschaftler ja drauf draufhaben,

00:36:13: das haben sie ja in Ihrem Studium mitbekommen,

00:36:15: sondern den Weg der Konfrontation, dem eben bestimmte politische Kreise

00:36:21: und Kreise in den Medien den Vorzug gegeben haben.

00:36:24: Und dagegen sind wir nicht angekommen.

00:36:27: Wir sind einfach nicht dagegen angekommen - quantitativ waren wir sehr gut

00:36:31: aufgestellt durch Ausbildung, durch die Schaffung von Lehrstühlen.

00:36:36: Aber wir haben es nicht geschafft,

00:36:39: dem Populismus, der am Ende sozusagen

00:36:43: die Massen ergriffen hat, etwas entgegenzusetzen.

00:36:46: Das, was früher im Großen 9/11 war,

00:36:50: sind heute im Kleinen die vielen Messerattacken

00:36:53: als neue Entwicklung, die natürlich diese Haltung des Westens

00:36:57: gegenüber dem Orient, gegenüber dem Islam vor allem immer wieder befeuern.

00:37:03: Wie erklärt man sich das?

00:37:04: Es sind ja Gott sei Dank kleine Gruppen von solchen Attentätern.

00:37:10: Aber die schaden nicht nur dem Westen, sondern die schaden auch allen

00:37:14: Moslems, die in Europa wohnen und friedlich sind.

00:37:17: Ja, leider.

00:37:17: Das ist nun mal leider so und natürlich muss man sich fragen,

00:37:22: warum das in den letzten Jahren so zugenommen hat.

00:37:26: Die Zahlen sind ja bestürzend,

00:37:27: die auch gerade wieder das Bundeskriminalamt veröffentlicht hat.

00:37:31: Ich glaube, das muss man sehr, sehr sorgfältig sehen.

00:37:34: Und ich denke mal, dass wir noch nicht bereit sind,

00:37:37: die ganze Komplexität der Situation zu erfassen,

00:37:40: vor allen Dingen in der Politik nicht bereit sind,

00:37:43: die ganze Komplexität zu erfassen, aus der heraus

00:37:47: dann diese Form von Gewaltanwendung erwächst.

00:37:50: Es geht nicht nur um Migranten aus dem Nahen aus.

00:37:53: Es geht nicht nur am Ende um Messerlängen oder wo man ein Messer tragen darf

00:37:57: oder will.

00:37:58: Es geht darum, wo kommt die Missstimmung her,

00:38:01: wo kommt die Feindseligkeit her, dass irgendein junger Mensch sich in

00:38:08: Stundenschnelle

00:38:10: entsprechend sozialisieren lässt, entsprechend aufrüsten lässt,

00:38:13: um am Ende eine Messerattacke zu wagen?

00:38:16: Der Frage muss man nachgehen und die führt uns nicht

00:38:19: nur in unsere

00:38:20: eigene Gesellschaft, da auch, aber die führt uns auch in den Nahen Osten.

00:38:23: Und wo im Augenblick die Gewalt so vorherrscht wie in Gaza,

00:38:29: wo der Westen diese Gewalt mehr oder minder hinnimmt,

00:38:34: da fühlen sich andere Menschen

00:38:36: betroffen, und sie sind schockiert.

00:38:39: Und die sind verzweifelt und greifen zum Messer.

00:38:43: Das müssen wir sehen.

00:38:44: Ich denke nicht, dass wir

00:38:46: die Lösung dieses Problems nur den Innenpolitikern überlassen können,

00:38:50: nicht nur den Leuten überlassen können, die sich mit Migration befassen,

00:38:54: sondern eben auch den Außenpolitikern.

00:38:56: Unsere Nahostpolitik macht etwas falsch und generiert

00:39:00: Gewalt, das muss man leider sagen.

00:39:03: Nun sind Sie ja wirklich in vielen Gremien auch aktiv, in Organisationen.

00:39:09: Ist das so eine Form oder eine Möglichkeit,

00:39:12: ein Weg, den Sie für sich entdeckt haben, gefunden haben, wie man

00:39:16: weiterhin auch außenpolitisch oder innenpolitisch auch gewissermaßen

00:39:21: Druck ausüben kann, Einfluss ausüben kann auf die Politik und somit sozusagen

00:39:26: noch eine Chance hat, etwas an der Politik zu ändern.

00:39:30: Also ich glaube nicht, dass man im Augenblick viel tun kann.

00:39:34: Wir sind noch immer einer Welle von Populismus

00:39:39: sozusagen

00:39:41: ausgesetzt aus unterschiedlichen Ecken.

00:39:44: Und die vielen Organisationen, so viele sind es am Ende auch nicht,

00:39:47: die bringen die Wende nicht herbei.

00:39:52: Früher, zu der Zeit, von der ich gesprochen habe,

00:39:56: kamen sehr viele Impulse von oben oder Impulse,

00:39:59: die von unten kamen, aus der Wissenschaft

00:40:00: heraus, wurden von oben aufgegriffen und in den politischen Raum transferiert.

00:40:05: Das haben wir eben heute nicht.

00:40:07: Die Populisten beherrschen sozusagen das Feld.

00:40:12: Was wir tun können, und das ist ja eben auch so schön,

00:40:14: weswegen ich auch den arabischen Divan von Katar

00:40:17: so schätze, ist, dass wir ganz unten wieder im Kleinen anfangen.

00:40:22: Dass wir Menschen zusammenbringen,

00:40:24: miteinander reden, die auch sich gegenseitig verstehen

00:40:28: wollen, die Ausstellungen besuchen und und und.

00:40:32: Ich selbst, der ich irgendwann mal mit großen Dingen gehandelt habe

00:40:36: als Direktor des Orient-Instituts, befasse mich heute

00:40:39: mit Politik und Poesie im arabischen Raum.

00:40:43: Es gibt eine Reihe, die ich an der Katholischen Akademie gemacht

00:40:46: habe: “Politik und Poesie im Vorderen Orient”.

00:40:48: Wir haben mit Persien begonnen

00:40:50: und den arabischen Raum Ende Februar abgehandelt, und am 25.

00:40:53: September werden wir über die Türkei sprechen

00:40:56: - die Poesie als Ausdruck von Protest.

00:41:01: - Das klingt ein bisschen nach innerer Emigration.

00:41:03: - Nicht nach innerer Emigration.

00:41:06: Ich versuche, die Räume noch auszugestalten, die mir bleiben.

00:41:10: Und wenn eine Akademie sich diesem Thema verschreibt, ja.

00:41:13: Die Leute wachen auf.

00:41:17: Das letzte Gedicht, das vorgetragen worden

00:41:21: ist, auf der arabischen Veranstaltung am 29.

00:41:25: Februar dieses Jahres war -

00:41:28: und wir haben das ganz professionell gemacht: mit arabischer Dichtung,

00:41:31: deutscher Übersetzung, mit Schauspielern usw.

00:41:33: Es war wirklich ergreifend.

00:41:35: Dieses letzte Gedicht war von einem palästinensischen Dichter,

00:41:40: der zugleich Professor für englische Sprache an der Universität in Gaza war.

00:41:44: Der hat es auf Englisch gemacht: “When I Must

00:41:46: Die” hieß das Gedicht, ein ganz kurzes.

00:41:51: Und dieses Gedicht haben wir vortragen lassen

00:41:55: von einer palästinensischen Kollegin aus den USA, in Englisch.

00:42:00: Wir haben es dann auch noch mal ins Deutsche übersetzt. Der Hintergrund war:

00:42:04: Der Dichter

00:42:04: hat es gedichtet, hat es dem Verleger geschickt,

00:42:08: der hat es veröffentlicht, und eine Woche später waren er tot,

00:42:12: seine Schwester tot und deren ganze Familie platt gemacht in Gaza.

00:42:17: Als wir das vorgetragen haben,

00:42:19: ganz ohne Schaum vor dem Mund,

00:42:21: nur das Faktum wiedergebend, das mussten wir ja sagen,

00:42:23: haben die Leute im Publikum geweint.

00:42:26: Das ist sozusagen das Moment und sozusagen der Spielraum,

00:42:31: den wir im Augenblick haben, um den Leuten zu zeigen,

00:42:34: wenn wir es hier mit arabischen Dingen zu tun haben,

00:42:36: iranischen, persischen Dingen, türkischen, islamischen und welchen Dingen

00:42:39: auch immer: Das sind Menschen wie wir und die handeln wie wir.

00:42:43: Und die wollen eigentlich richtig angesprochen werden.

00:42:46: Das ist das, was wir im Augenblick tun können,

00:42:49: was der Divan tut, was vielleicht auch noch andere tun.

00:42:52: Aber ich finde, dass der Divan das besonders ausdrucksvoll gestaltet.

00:42:57: Kurz vor

00:42:57: der Sommerpause habe ich mit einem Kollegen zusammen

00:43:01: in der tadschikischen Botschaft einen Abend gemacht

00:43:04: über tadschikische Lyrik von Zarathustra bis in die Gegenwart.

00:43:10: Denken Sie einmal an Tadschikistan.

00:43:12: Wie viele Gewalttaten werden den Tadschiken tagtäglich sozusagen

00:43:16: in die Schuhe geschoben?

00:43:17: Das ist ja nicht ganz unberechtigt, in Moskau denken wir und anderswo.

00:43:21: Und jetzt mit einem Mal hören die Tadschiken ihre Dichtung

00:43:25: und die Wertschätzung, die man ihr entgegenbringt.

00:43:30: Der Raum war knackevoll.

00:43:32: In der Botschaft selber haben wir das gemacht.

00:43:35: Und da merken Sie, wie sie Leute anregen und wie Sie sie ansprechen können.

00:43:38: Und das ist die Art und Weise zu verhindern, dass wir einander

00:43:42: auf immer den Rücken kehren, sondern dafür irgendwie noch

00:43:46: Gelegenheiten suchen, wo wir miteinander von Auge zu Auge reden.

00:43:51: Wir sind jetzt von

00:43:53: der Vergangenheit - und wir haben eigentlich Ihre Laufbahn unterbrochen,

00:43:56: wir reden später noch weiter darüber - schon sehr in der Gegenwart gelandet.

00:44:01: Aber ich sehe, dass eigentlich die Zeit schon abgelaufen ist

00:44:03: für die erste Ausgabe des Vodcast mit Ihnen, Herr Professor Steinbach.

00:44:08: Wir kommen in die Endrunde

00:44:11: und wir freuen uns, Sie bei einem weiteren

00:44:14: Vodcast noch einmal begrüßen zu dürfen, weil: Wir wollen noch ganz Vieles

00:44:18: von Ihnen wissen.

00:44:19: Auf jeden Fall Hat mich sehr gefreut.

00:44:23: Damit vielen herzlichen Dank auch bei Ihnen fürs Zuschauen bzw.

00:44:28: bei Euch fürs Zuschauen.

00:44:30: Und wir freuen uns auf die zweite Ausgabe.

00:44:33: Genau. Ja, bis zum nächsten Mal wieder.

00:44:35: Dankeschön. Tschüss.

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